Treidelschifffahrt

Vortrag von Karl-Heinz Stumps und Reinhold Schoppmeyer (2013)

 

Schon die Römer praktizierten die Treidelschifffahrt in der antiken Welt. Der Begriff kommt aus dem römischen tragulare, was schleppen bedeutet.

 

Die römische Literatur berichtet vom Rudern zu Tal und treideln zu Berg. Auf Treidel- oder Leinpfaden entlang der Mosel beförderten die Römer durch Menschen oder Zugtiere (Pferde ) schwere Lasten, Tuchballen und Weinkrüge. ( Neumagener Weinschiff). Der erste Lein- oder Lingepfad ist in Köln 1180 urkundlich erwähnt. An der Mosel hießen die Treidelpfade „Rittwege“

 

 

 

Technik des Treidels

 

Zu Anfang der Treidelschifffahrt hatten die Pferde mit unwegsamen Gelände zu kämpfen (Pädsweg). Wenn die Windverhältnisse es zu ließen wurden Segel gesetzt. Die Männer, die für den Transport verantwortlich waren, nannten sich Halfer, abstammend vom Pferdehalfter. Die Halfer führten und lenkten die Pferde. Diese Arbeit war hart und nicht ganz ungefährlich.

 

Die Halfer saßen im Damensitz auf dem Pferd, das heißt beidbeinig zum Fluss. Für den Fall, dass sich Schiff einmal nicht lenken ließ und die Pferde in Gefahr waren und ins Wasser zu fallen drohte mussten die Halfer immer ein Messer oder Beil dabei haben, um die Taue zu kappen.

 

Bei der Bergfahrt wurden die Transportschiffe mit am Mast befestigten Schleppleinen durch Pferdekraft getreidelt. Die Leine lief über einen Block, dem sogenannten „Hundskopf“. Die Zugkraft wurde durch ein Tau auf den Treidelpoller übertragen. Auf diese Weise konnte das Schiff vom Ufer aus gezogen werden. Hierzu waren 8 bis 14 Pferde nötig.

 

Von Amsterdam, dem wichtigsten Handelsplatz der Welt im 17. Jahrhundert fuhren bis Anfang des 19. Jahrhundert die breiten Beurtschiffe (Samoreusen) bis Köln. Diese Schiffe wurden von bis zu 30 Pferden gezogen. Eine solche Fahrt dauerte je nach Windstärke 2 bis 6 Wochen. Für das Treideln wurden vielfach schwere ausdauernde Kaltblüter eingesetzt, welche den Bauern aus den anliegenden Rheindörfern gehörten, die hiermit einen guten Nebenverdienst zur Landwirtschaft hatten.

 

1782 betrug der Lohn für ein Pferd von Köln bis Mainz 8 – 10 Reichstaler, in der Haupterntezeit verdoppelte sich der Treidellohn, hinzukamen Stallgeld für das Pferd und Nachtgeld für den Mann, sowie eine Vergütung für den Rückweg.

 

So gab es in Stürzelberg Pferdebauern, die  von den Schiffern gedungen wurden, oft führten auch Knechte als Pädsdriever die Gespanne für einen gewissen Uferabschnitt. In Stürzelberg gab es Unterkünfte für Pädsdriever, Lotsen und Leineträger. Gelegentlich kauften die Schiffer Lebensmittel für seine Familie die mit auf dem Schiff wohnten. Stürzelberg ist als Anlege- und Umschlagplatz bis ins 19. Jahrhundert überliefert. Entlang des Rheins gab es zusätzlich Treidelstationen, die den Treidlern als Übernachtung und den Pferden als Ruhestationen dienten. (Piwipp Gasthaus)

 

Auf dem Neusser Leinpfad zogen noch 1861 Schiffsbesatzungen eigenhändig ihre Schiffe und brachten sie somit vor Hochwasser und Eis in den sicheren Hafen.

 

Das Treidelschiff führte ein Beiboot mit sich, den sogenannten Bornachen oder Bindekähne von anbinden, von dem aus das Treidelseil über Hindernisse gehoben werden konnte, oder das beim Ankern, beim An-und Ablegen behilflich war. Bei schwierigen Wasserverhältnissen konnte der Bornachen Ladungen übernehmen.

 

Oft kam es vor, dass die Flussseite gewechselt werden musste. War dann keine Fähre vorhanden, wurden die Pferde mit dem Bornachen auf die andere Rheinseite gebracht. Auf der Talfahrt wurden ebenfalls die Pferde mit dem Bornachen befördert. Diese Bornachen waren pontonartig und waren mit Seilen am Hauptschiff angebunden.

 

Es gab eine Organisation der Treidelknechte und Pädsbure, die den Rhein in bestimmte Abschnitte einteilten um ihre Interessen zu vertreten. Sie bestand noch bis in die 60-Jahre des 19. Jahrhundert, bis das verstärkte Aufkommen der Frachtschleppdampfer und der Einsatz von eisernen Schleppkähnen der Treidelschifffahrt das Ende bedeutete.

 

Im Jahre 1849 fuhren noch 1686 hölzerne Schiffe auf dem Rhein, wobei das kleinste 900 Zentner Ladefähigkeit hatte. So ging die Zeit der Treidelschifffahrt nach und nach zu Ende. Schließlich holte sich die Natur die Treidelpfade wieder zurück, bis zur Unkenntlichkeit. Bei uns in Zons ist noch ein Stück Treidelpfad erhalten und zwar am Rheintorparkplatz bis zum Eisbrecher an der Freilichtbühne. Die letzte Treidelfahrt soll der Kapitän singend auf dem Treidelpfad zu Fuß begleitet haben. Eine moderne Treidelschifffahrt gibt es heute noch auf dem Panamakanal, die ich mit meiner Frau auf einer Kreuzfahrt miterleben durfte. Dort treideln heute noch, um die Uferböschungen nicht durch Wellen und Schiffsschrauben zu beschädigen auf Schienensträngen am Ufer fahrende Elektroloks große Ozeanriesen durch die Kanalschleusen von einem Weltmeer ins andere.

 

Jetzt noch einmal zu den verschiedenen Schiffstypen. Auf dem Mittel- und Oberrhein gab es den sogenannten Oberländer, ein oben geschlossenes Boot mit flachem Boden, einem verbreiterten Bug und hochgezogenem Heck, in das eine Kajüte eingebaut werden konnte. Teilweise nahmen die Treidler ihre Familien mit, da eine Fahrt bis Basel teilweise 2 -3 Monate dauerte. Das Schiff war hinten höher gebaut, so dass das Heck nach vorne abfiel. Es besaß im ersten Drittel einen kurzen kräftigen Mast, der aber nicht zum Segeln geeignet war. Auf kurzen Strecken und zum manövieren konnte der Oberländer auch mit langen Riemen gerudert werden. Gesteuert wurde das Schiff durch ein großes Senkruder, dass am Heck an der Steuerseite angebracht war. Das besondere am Oberländer war sein geringer Tiefgang, er konnte dann mit dem Bug am flachen Ufer aufsetzen und dann über eine Planke be- und entladen werden. Beim Beladen sank das Schiff zwar tiefer ins Wasser ein, jedoch ohne dass der Auflagepunkt stärker belastet wurde. Dieses Schiff war nicht auf Kaianlagen und Kräne angewiesen, sondern konnte fast überall am Rheinufer anlanden und be- und entladen werden. Kräne aus der damaligen Zeit gibt es heute noch in Andernach, Östrich-Winkel (Rheingau) und in Trier.

 

Die Arbeitsweise war folgende, im inneren des Kranes befindet sich ein 8 m im Durchmesser großes Laufrad (Hamsterrad). Durch die Fortbewegung im Kreis und durch verschiedene Übertragungssysteme konnten die Lasten bewegt werden. Die Männer, die das Laufrad antrieben, nannte man Kranknechte, es war eine Knochenarbeit und es kam oft zu tödlichen Unfällen. Die Tragfähigkeit des Oberländers durfte 50 Tonnen nicht überschreiten. Dieser Schiffstyp ist in seiner Grundform bis in das 17. Jahrhundert nachzuweisen. Der kiellose Oberländer wurde wegen seiner geringen Tiefganges hauptsächlich zwischen Köln und Mainz eingesetzt. Zuvor mußten die Waren jedoch 3 Tage lang der Kölner Bürgerschaft (also kein Nichtkölner) bei entsprechender Lagerung zum Kau angeboten werden. Mainz besaß ebenfalls das Stapelrecht. Das Stapelrecht gab es bis 1820 und wurde strikt eingehalten. Für die Fahrt von der Mündung des Rheins bis nach Köln und umgekehrt durften nur holländische Schiffe fahren. Hier sind besonders die Aahtypen (Kölner Aaht ) zu nennen. Der Name ist auf das Wort Eiche zurück zu führen, da die Schiffe meistens aus heimischer Eiche gebaut wurden.

 

Die holländischen Schiffe nannten sich Amsterdamer Kaag oder Tjalk, woraus sich der spätere Name für Jacht entwickelte, diese Schiffe Schiffe waren für das felsige Flussbett im Siebengebirge und an der Loreley ungeeignet.

 

Als fast doppelt so großes Schiff ist der Niederländer bekannt. Die Tragfähigkeit dieses Schiffes betrug bis zu 100 Tonnen. Als Gegenstück auf deutschen Gebiet gab es die Mainzer-Lade, die von bis zu 12 Pferden gezogen werde mußte. Die sogenannten Niederländer, wie sie uns im 15. – 17. Jahrhundert begegnen, waren flachbodige mit rechteckigen Formen des Vorderteils und des Rumpfes. Diese Schiffe besaßen einen Mast mit Takelage zum Segeln. Diese Schiffsarten wurde man höre und staune in Dorsten (Lippe) entwickelt.

 

Sowohl auf dem Mittel- als auch auf dem Niederrhein  gab es eine große Zahl verschiedener kleiner Schiffstypen, die zum Teil aber den größeren Schiffen ähnlich waren. Der bekannteste Schiffstyp war die Lauerdaune. Diese Schiffe waren Einwegschiffe. Sie wurden am Oberrhein oder am Mittelrhein und am Main gebaut, sie dienten dem Transport von Wein, Steine oder Personen und wurden am Zielort als Bau- oder Brennholz verkauft. Ihre Tragfähigkeit betrug zwischen 25 und 40 Tonnen.

 

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass auf den Flüssen ein reger Personenverkehr stattfand.

 

Der berühmteste Schiffspassagier war Karl der Große, er reiste im Jahre 800 von Thiorville in Frankreich aus auf der bis Koblenz und von dort auf dem Rhein nach Nijmwegen in Holland, es sollen mehrere Schiffe gewesen sein.

 

Für 1473 ist eine Schiffsreise von Kaiser Friedrich III erwähnt. Kaiser Maximilian I unternahm 1512 eine mehrtätige Schiffsreise von Trier nach Koblenz. Auch Goethe nutzte den Wasserweg als schnellstes Fortbewegungsmittel in der damaligen Zeit, dieses war 1792.

 

Beispiele derer gäbe es viele, aus der Zeit der Treidelschifffahrt stammt auch der Ausdruck, die „schäl Sick“. Die Pferde trugen in der damaligen Zeit Scheuklappen an den Augen, um nicht von den Strahlen der Sonne, die sich auf dem Wasser spiegelten geblendet wurden. Die  den Pferden gegenüberliegende Flußseite wurde schäl Sick genannt, weil sie von den Pferden nicht gesehen wurde.

 

Es ist also nicht, wie in Köln verwendet, ein Schimpfwort.